Meine Beichte: Ich hasse Abenteuer!
In winzig kleinen Ultraleichtzelten übernachten, spontan jeden Tag loslaufen ohne ein genaues Ziel, vor dem Sonnenaufgang aufstehen und weiter wandern, irgendwo im Wald auf einer Luftmatratze schlafen, einfach mal alle Pläne über Bord werfen und etwas ganz anderes machen..
Ich muss dir jetzt was gestehen:
Da habe ich überhaupt keine Lust drauf.
Die Vorstellung, mit meinem Pony abends auf einer Wiese anzukommen, mitten im Nichts, dort mein Zelt aufzuschlagen, mir Nudeln über einem Gaskocher zu kochen, am nächsten Morgen um 5 Uhr wieder aufstehen und nach einem kleinen Frühstück wieder loszuwandern macht mich so überhaupt gar nicht an.
Null.
Und weißt du, was das Schlimmste daran ist?
Dass es mir peinlich ist, das zuzugeben.
Es ist mir peinlich, dir zu sagen, dass ich stattdessen lieber mein Pony in einen Reitstall stelle und selber in einem Luxus-Wellness-Wander-Hotel übernachte, abends die Füße im Whirlpool hochlege, ein leckeres Abendessen in einem netten Restaurant genieße, den nächsten Morgen am üppigen Frühstücksbuffet zuschlage und dann so gegen 10 Uhr mein Pferd hole und weiterlaufe.
Das klingt einfach so furchtbar spießig und langweilig.
Es klingt nicht nach Abenteuer, Freiheit und verrückten Ideen.
Irgendwie klingt es auch ein bisschen geschummelt.
Ich frage mich: Was ist denn bloß aus meinem abenteuerlichen Ich geworden.
Wo ist dieses Mädchen, das früher am liebsten überall wildgecampt hätte (wäre es denn erlaubt gewesen), das nichts aufregender als zelten fand, dem Nudeln ausgezeichnet schmeckten und das bloß nie einen festen Plan haben wollte?
Nach dem Abitur bin ich 9 Monate durch Neuseeland und Australien gereist. Die wohl abenteuerlichste Zeit habe ich an der australischen Westküste verbracht.
Gemeinsam mit einem anderen Deutschen habe ich mir einen Camper gemietet und wir sind 5 Wochen die komplette Küste hochgefahren.
Dabei haben wir jede Nacht im Auto übernachtet und waren teilweise wirklich Mitten im Nichts.
Manchmal haben wir tagelang keinen anderen Menschen gesehen, höchstens mal ganz kurz an einer Tankstelle zum Benzin nachfüllen.
Die Straßen gehörten nur uns und den Roadtrains und die Nächte haben wir auf einsamen Parkplätzen oder einfach so neben der Straße verbracht.
Ziemlich abenteuerlich, oder?
Zurück in Deutschland sind Timo und ich zusammengezogen und haben geheiratet.
Unsere Hochzeit haben wir mit einem Picknick gefeiert und die Flitterwochen haben wir auf einem Campingplatz in Schweden in einem Zelt verbracht.
Nicht schlecht, oder?
Als wir dann mit Egon das Wandern anfingen, war unsere erste Mehrtagestour eine echte Tour ohne jeglichen Plan.
Wir liefen einfach los und fragten abends Leute, ob wir bei ihnen übernachten dürfen.
Die Nächte haben wir dann in einem kleinen Iglu-Zelt verbracht, während Egon draußen an einer Highline zwischen Bäumen festgebunden oder eine Nacht auch eingezäunt war.
Wenn ich das so schreibe, klingt das einfach ziemlich cool, oder?
Irgendwie hätte ich gerne, dass du dieses Bild der Abenteurerin von mir hast.
Aber heute will ich dir die ganze Wahrheit erzählen:
Die Zeit in Australien, die ich im Camper verbracht habe, war absolut genial.
Sie war aber auch höllisch anstrengend und nervenzehrend.
Teilweise sanken die Temperaturen nachts kaum unter 30 Grad, ich war absolut zerstochen von Moskitos, wollte eigentlich nur im Auto mit geöffneten Fenster sitzen und fahren und bloß keinen Schritt irgendwo wandern.
Die Hitze und das ständige Unterwegssein hat mich gerade zum Ende hin ziemlich unausstehlich werden lassen.
Klar möchte ich diese Zeit nie und nimmer missen.
Aber ich kann auch nicht sagen, dass ich es geliebt habe, in einem Auto zu schlafen, ohne Badezimmer oder sonstige sanitäre Einrichtungen und ohne gutes Essen.
Wir haben in dieser Zeit auch ein paar Tage eine Tour für Backpacker gebucht, wo wir einen Guide hatten, der uns durch einen Nationalpark geführt hat und während der wir nachts in luxuriösen Zelten auf Feldbetten geschlafen haben.
Das ist vielleicht nicht so abenteuerlich.
Aber ganz ehrlich: Es war so viel angenehmer.
Timos und meine Flitterwochen in Schweden waren eigentlich auch ganz anders geplant:
Wir wollten einfach herumfahren, uns treiben lassen und auch viel in der Natur zelten (in Schweden darf man das ja).
Dann haben wir schon am zweiten Abend einen Campingplatz gefunden, der eine geniale Lage hatte – und sind dort geblieben.
Die ganze Zeit über.
Und schon klingt es nicht mehr so richtig spektakulär, oder?
Die erste Mehrtagestour mit Egon sollte eigentlich eine Woche lang dauern.
Wir haben nach 4 Tagen abgebrochen.
Und ich war wahnsinnig erleichtert, als wir diese Entscheidung getroffen haben.
Lange Zeit habe ich mir selbst vorgemacht, dass ich das Gegenteil von spießig bin. Dass ich echte Abenteuer mag. Dass ich es liebe, in kleinen Zelten irgendwo im Nichts zu übernachten.
Doch ehrlich gesagt, habe ich jetzt keine Lust mehr mir und dir etwas vorzumachen.
Deswegen jetzt einmal ganz offiziell:
Nein, ich bin keine Abenteurerin und auch noch nie eine gewesen.
Ich plane meine Wanderungen mit Egon gerne vor, buche mir Unterkünfte und wähle den einfachsten Weg.
Ich schlafe gerne in weichen Hotelbetten, esse nach einer Wanderung bevorzugt in einem Restaurant und gegen einen Whirlpool habe ich auch nichts.
Und das ist verdammt nochmal ok so!
Meine Wanderungen sind deswegen nicht weniger wert.
Und auch ich bin deswegen nicht weniger wert.
Ich bin in der Lage, mir zum Teil Luxus auf Wanderungen realisieren zu können und deswegen mache ich das auch.
Ich habe nicht pauschal etwas gegen Zelten. Im Gegenteil, ich mache das auch total gerne.
Aber lieber in einem großen Zelt auf Festivals, in dem ich mich häuslich einrichte und wo ich auch eine Toilette und vielleicht sogar eine nette Essensmöglichkeit habe.
Wenn ich in einem winzigen ultraleicht Zelt oder im Auto übernachte, dann tue ich das, weil es mir etwas ermöglicht, was sonst nicht möglich wäre.
Wie beispielsweise eine Strecke zu laufen, die anders absolut nicht machbar wäre, weil es einfach keine Übernachtungsmöglichkeiten gibt.
Ich schlafe nicht zu zweit plus Hund in einem Mini-Zelt, weil ich mir denke:
„Boah, super! Endlich mal wieder so richtig durchfrieren nachts und Rückenprobleme bekommen, weil ich dank Hund die Beine nicht durchstrecken kann. Endlich mal wieder morgens feuchte Klamotten anziehen und weder ein Bad noch ein ordentliches Frühstück haben.“
Ich nehme diese Dinge in Kauf.
Manchmal nehme ich sie sogar gerne in Kauf, weil sie mir etwas anderes ermöglichen.
Aber deswegen mag ich diese Dinge nicht gerne.
Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir lieber ein echtes Bett herbeibeamen, in einem durchsichtigen Raum, der mich wärmt, mir aber auch freien Blick auf die Sterne ermöglicht, mit einem Koch, der mir abends und morgens leckeres Essen serviert, aber dann auch sofort wieder verschwindet und einer Pferdebox für Egon mit anderen Artgenossen um ihn herum.
Solange das nicht möglich ist, schlafe ich in Hotels, Ferienhäusern, Bungalows oder gut ausgestatteten Heuhotels. Am liebsten natürlich auf einem Luxus-Boot (soll ja während einer Tour auch schon vorgekommen sein 😉 )
Wenn ich mir meine Traumwanderung mit Pferd vorstelle, wandere ich von Wanderreitstation zu Wanderreitstation, es ist alles vororganisiert und gebucht, Egon hat jede Nacht nette Pferdegesellschaft und Timo und ich schlafen in einem bequemen Bett und essen in einem leckeren Restaurant direkt in der Unterkunft.
Das ist natürlich nicht immer möglich und so müssen wir immer wieder „Abstriche“ machen.
Mal, was unsere Unterbringung angeht, mal, was die Unterbringung von Egon angeht.
Und das ist auch überhaupt nicht schlimm und alle Touren in diesem Jahr habe ich geliebt.
Aber ab heute mache ich niemanden und schon gar nicht mir selbst mehr vor, dass ich Abenteuer und ungemütliche Nächte liebe.
Ich bin nicht bequem geworden, sondern ich war schon immer bequem und habe diesen Wunsch nur unterdrückt.
Jetzt nicht mehr!
Nenn mich ruhig spießig und langweilig.
Letztlich ist es mir wichtiger, dass ich bedingungslos zu mir und meinen Wünschen stehe, als ein Bild aufrecht zu erhalten, was mir dies erschwert.
Deswegen:
Liebe Grüße an alle anderen Anti-Abenteurer da draußen! 🙂
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