Gedanken vor einer Reise
Kennst du dieses Kribbeln vor einer Reise? Diese angespannte Vorfreude auf die Reise selbst, auf das Ankommen und all das Neue, das vor dir liegt? Kennst du dieses Gefühl, dieses Fernweh, das dich immer wieder von zu Hause wegzieht?
Ehrlich?
Ich nicht.
Ich habe dieses Gefühl nicht. Ja, ich reise mit meinem Pony durch Deutschland, bin ständig mit dem Fernbus unterwegs in anderen Städten und habe meinen Job aufgegeben, um mehr reisen zu können.
Aber ich habe diese Vorfreude trotzdem nicht.
Stattdessen habe ich Angst.
Ich bin die totale Schisserin, wenn es ums Reisen geht. Ich mache mir vorher dreitausend Gedanken, wie ich alles organisiere, was ich wann wie machen werde, was alles schief gehen könnte und wie ich es verhindere…. Ich mache mir so viele Gedanken, dass für reine Vorfreude meist gar keine Zeit bleibt.
Natürlich freue ich mich schon auch auf meine Reisen. Aber manchmal mache ich eine Reise auch, weil ich weiß, das ich sie machen muss. Mir selbst zuliebe. Um zu lernen. Denn ich lerne fast ausschließlich dann, wenn ich meine Komfortzone verlasse. Und Reisen liegt bei mir weit außerhalb dieser Zone, das kannst du mir glauben.
Ich bin der totale Sicherheits- und Gewohnheitsmensch. Und eine Grüblerin. Ich mache mir viel zu viele Gedanken und habe mein Leben gerne so strukturiert, wie nur irgendwie möglich.
Reisen passen da so gar nicht in mein Schema. Und trotzdem mache ich sie immer wieder und wachse an jeder einzelnen.
Vielleicht ist dieser Blog also gar kein Wanderblog, sondern ein Angst-Überwindungs-Blog. Und ich habe es bisher nur gut getarnt.
Ich schreibe diesen Beitrag gerade am Donnerstag Vormittag. Morgen, am Freitag, wird er online gehen. Wenige Stunden später werde ich im Fernbus nach Berlin sitzen. Ich werde dort 8 Tage verbringen, einen Workshop machen, zur Reisemesse gehen, zahlreiche Abendtermine wahrnehmen, meinen Geburtstag feiern…
Und ich bin nervös. Verdammt nervös. Werde ich die Wohnung finden? Gehe ich im Getümmel der S-Bahnen verloren? Was soll ich auf der Messe nur anziehen? Was denken die anderen von mir? Wann hole ich wen wo von welchem Bahnhof ab?
Und das ist eine Reise ohne Egon. Was meinst du, was in mir vorgeht, wenn ich Egon mitnehme? Dann geht das Gedankenkarussel erst so richtig los.
Aber nach jeder Reise bin ich ein Stück stärker. Dieses Glücksgefühl, was viele vor der Reise haben, habe ich danach. Wenn ich abends wieder auf meinem Sofa zu Hause liege. Wenn Mann, Hund und Pony wieder gesund zurückgefunden haben. Wenn ich Fotos und Videos sortiere. Dann habe ich dieses Kribbeln.
Nicht jede Reise ist bei mir übrigens toll. Letztes Wochenende war ich in München. Und habe mich dort so mit einem Freund gestritten, dass wir jetzt nicht mehr miteinander reden. Vielleicht hätte ich ihn im Restaurant nicht so anschreien sollen – das muss ich fairerweise dazu sagen. Aber ich hatte meine Gründe.
Und dann fühlt sich Reisen zeitweise auch richtig mies an.
Aber weißt du, was ich gemacht habe?
Ich habe mir am nächsten Tag ganz viel Zeit genommen, bin alleine durch die Stadt geschlendert und habe mir gesagt, dass ich immer zu mir stehen werde. Egal, welche Entscheidungen ich treffe und wie blöd ich mich manchmal aufführe. Ich liebe mich und ich werde immer zu mir halten.
Und das hat mir eine Riesenkraft gegeben. Später bin ich in den Fernbus gestiegen und hatte richtig das Gefühl, gewachsen zu sein.
Warum schreibe ich das hier?
Weil ich dir gerne zeigen möchte, dass ich eigentlich der totale Angsthase bin, was Reisen angeht.
Und trotzdem tue ich es. Weil es mich stärkt. Weil ich das Gefühl habe, dass das etwas ist, was ich im Leben tun muss.
Oft bekomme ich Emails, die sinngemäß sagen: „Du bist so unglaublich mutig…“ Und ich denke mir: Neeiiiin. Bin ich so überhaupt gar nicht. Aber ich überwinde mich bewusst.
Und ganz ehrlich: Wenn ich das hier alles kann, dann kannst du das schon lange!
Du musst nicht besonders stark sein, um deine Träume zu leben. Nicht besonders mutig. Und nicht besonders tapfer. Du musst auch nicht besonders begabt sein. Du musst es einfach nur machen.
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