Vor dem Abschied
Es ist unterschwellig. Irgendwie immer da, aber meistens kann ich es wegsperren. Wenn es gerade nicht passt. Und eigentlich passt es nie. Die Gefühle rund um meinen Abschied von Egon. Scham ist da, ganz oben drauf. Angst verurteilt zu werden. Verurteilung mir selbst gegenüber.
Auch wenn die Entscheidung, Egon zu verkaufen, schon lange gefällt ist, wird es nicht besser. Im Gegenteil: Je näher der Verkaufstermin rückt, desto schlimmer wird es.
Deswegen schreib ich es mir jetzt einfach mal von der Seele. Die zwei Haupt-Gedanken, die mich am meisten belasten:
Ich kann nie wieder ein Pferd haben
Ich bin ein Verfechter der Aussage: Wenn du dir ein Tier anschaffst, dann hast du bis an sein Lebensende die Verantwortung dafür. Tiere sind für mich Familienmitglieder und ich finde es ganz schlimm, wenn sie „herumgereicht“ oder abgegeben werden, weil es plötzlich nicht mehr passt.
Und jetzt mache ich genau das.
Ich war mindestens die 4. Besitzerin für Egon. Jetzt zieht er zum 5. Besitzer um. Mindestens, weil ich nicht weiß, was Egon in den ersten 10 Jahren seines Lebens erlebt hat. Aber auch 5 Besitzer und immer wieder neue Herden ist Mist.
In meinen Augen habe ich damit versagt. Und ich hadere ganz schlimm mit diesen Scham- und Schuldgefühlen.
Ich liebe Tiere. Mein allergrößter Traum als Kind war immer, einen eigenen Bauernhof zu haben. Jetzt denke ich, dass ich nie wieder überhaupt ein Pferd haben darf.
Nicht, dass dies irgendwie geplant wäre. Aber ich bin erst 30 und lebe hoffentlich noch ein bisschen. Wer weiß, was sich vielleicht in 20 Jahren ergibt.
Aber gerade fühlt es sich so an, als ob ich mir selber dieses Recht nie wieder einräumen kann. Ich habe beim letzten Mal versagt. Beim Kauf nicht weit genug in die Zukunft gedacht. Mein Leben so umgestaltet, dass ein Pferd darin keinen Platz mehr hat. Ich hätte die totale Panik, dass mir das nochmal passiert. Und habe außerdem das Gefühl, dass ich es nicht verdient hätte.
Ich bin langweilig ohne Pferd
Mein zweites großes Thema dreht sich eigentlich gar nicht um Egon, sondern um mich.
„Erzähl mir etwas Spannendes über dich“, wurde ich neulich hier auf Zypern im Small-Talk aufgefordert. Und alles wirklich Spannende, das mir einfiel, liegt in meiner Vergangenheit.
Ich war die Ponywanderin. Das war mein Ding, mein USP, mein Alleinstellungsmerkmal.
Ich habe vom Bloggen gelebt, wurde zu Vorträgen eingeladen und war immer das Highlight in jeder Gesprächsrunde. „Du wanderst mit einem Pony? Wie cool ist das denn?!“.
Jetzt bin ich plötzlich „nur noch“ Sarah.
Versteh mich nicht falsch, ich bin sehr glücklich mit meinem Leben hier auf Zypern. Es ist nur nicht mehr besonders ausgefallen.
Ich fühle mich, als hätte ich das Highlight meines Lebens schon gelebt.
Ich habe das Gefühl, ich brauche wieder etwas, das Leute „wow!“ oder zumindest „ach cool“ sagen lässt, wenn ich ihnen davon berichte.
Nicht nur wegen der Leute. Sondern auch, weil ich so etwas gerne wieder in meinem Leben hätte.
Immer wieder merke ich, dass ich noch Lust zum Bloggen hätte. Aber mir fällt eine Neuausrichtung weg von Egon extrem schwer.
Und nun?
Egon zieht am 1.6 um. Der Entschluss steht und trotz all der negativen Gefühle, bereue ich diese Entscheidung nicht und bin irgendwie auch froh, wenn ich es hinter mir habe.
Ich fliege extra dafür nach Deutschland, um alles in die Wege zu leiten und natürlich auch Abschied zu nehmen.
Danach fahre ich noch für ein paar Tage nach Berlin auf ein Event, um die ganze Reise mit etwas Schönem abzuschließen.
Ich merke, dass ich meine Gefühle nicht nur unterdrücken darf. Sie müssen gefühlt werden. Ich hoffe, dass sie dadurch mit der Zeit auch etwas schwächer werden.
Vielleicht kann ich dann auch endlich wieder neu starten. Wieder bloggen. Eventuell in Verbindung mit ein paar Videos. Ich würde es mir so wünschen.