48 Stunden im „anderen Holland“ – Unsere erste Tour mit Baby
„Ich bin eigentlich total erkältet und überhaupt ist Blutgruppe A gar nicht dafür gemacht, so oft den Ort zu wechseln, das liegt an der Genetik und ich wollte sowieso noch neue Wollsachen für David kaufen, vorher können wir ja eigentlich gar nicht los und …“.
Die erste Tour zu fünft inklusive Baby David steht an und ich bin nervös. Nervös, wie die Fahrt sein wird. Nervös, ob Egon nach doch recht langer Pause in den Hänger steigen wird. Nervös, wie die erste Auslandsreise sein wird. Nervös, ob ich uns und vor allem mir selber nicht zu viel zumute.
Doch zum Glück gibt es jetzt kein Zurück mehr, Egons Packtaschen sind gepackt, Windeln, Spucktücher und Ersatzkleidung stehen griffbereit parat und die Kameras sind geladen. Wir haben uns für unsere erste Tour gemeinsam mit David das Gelderland aká „anderes Holland“ in den Niederlanden ausgesucht und wollen mit zwei Übernachtungen starten.
So machen wir uns also nach dem Frühstück auf den Weg zu Egon. Der Pferdeanhänger ist schnell ans Auto gehängt und ehe ich mich versehe, steht mein Pony auch schon drin. „Oh, das ging ja leicht“, bin ich erstaunt und gleichzeitig super stolz auf mein kleines Kuffelpony. Es scheint, als würde er sich richtig freuen, endlich wieder auf Tour zu gehen.
David schläft im Auto erst einmal ein und wir schaffen eine gute Stunde Fahrt ohne Unterbrechung.
Dann wacht er auf und möchte auf den Arm. Geht während der Fahrt natürlich nicht und so brüllt er und brüllt. Die 5 Minuten bis zum nächsten Parkplatz erscheinen mir endlos und vor lauter Anspannung heule ich direkt ein bisschen mit. „Das geht so nicht, gleich fahre ich!“, bietet Timo an.
Zum Glück wird David an der Brust sofort ruhig und strahlt mich danach zufrieden an. Weiter geht’s und ich verbringe die nächsten 10 Minuten vorgebeugt über der Babyschale mit Fingerspielen und Gesängen.
Eine weitere Pause machen wir noch bevor wir nach 4,5 Stunden bei unserem Ziel in Gelderland ankommen. Eigentlich ist es überhaupt nicht weit, aber da ich mit meinem Hänger nur 80 fahren darf und unsere Pausen mit David entsprechend lang waren, hat es doch etwas gedauert.
Umso froher bin ich, als ich in der Rezeption des Ferienparks „Bospark De Heivlinder“ stehe und wir kurz danach Egon beim Stall des Parks abladen.
Der Ferienpark besteht aus einzelnen Ferienhäusern mit eigenem kleinen Garten, die inmitten von viel Natur angenehm weit auseinander stehen. Am Rand des Parks gibt es einen Stall für etwa 10 Pferde und angrenzende Weiden.
Hier streckt Egon gerade interessiert seinen Kopf in die Höhe, schaut einmal zu den einheimischen Pferden und beginnt gewissenhaft damit, das holländische Gras kulinarisch zu testen.
Wir lassen ihn erst einmal in Ruhe ankommen und beziehen unser Ferienhaus. Das ist total nett eingerichtet und wir fühlen uns sofort super wohl.
Doch wenn ich an einem neuen Ort ankomme, hält es mich immer nicht lange drinnen. Und so binde ich mir David ins Tragetuch und wir machen uns gemeinsam mit Sturmi auf, um die Umgebung zu erkunden. Timo beteuert, er hätte kurz nach unserer Ankunft schon einen Hirsch gehört. Als wir kurz danach aber an einer großen Kuhherde vorbeilaufen, bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher 😉
Auf jeden Fall bin ich begeistert von der Gegend. Überall um unseren Ferienpark herum gibt es Reit- und Fahrwege mit traumhaftem Sandboden. Der Veluwe Trail, ein Reitweg mitten in der Veluwe führt auf 360 Kilometern durch dieses größte zusammenhängende Waldgebiet der Niederlande. Entlang der Wege gibt es Unterkünfte und Rastmöglichkeiten für Mensch und Pferd.
Auch wenn Ermelo, die nächste größere Stadt, nicht weit entfernt ist, haben wir abends keine Lust, David noch einmal ins Auto zu packen. Also kochen wir in unserer Unterkunft selber etwas zu essen und gehen anschließend früh ins Bett.
Unsere Tageswanderung mit Pferd in der Veluwe
Am nächsten Morgen geht es dann endlich auch mit Egon los. Wir haben uns einen Rundweg nach Dries ausgesucht, wo wir mittags etwas essen und anschließend in einem größeren Bogen wieder zurück zum Ferienpark laufen wollen. Ungefähr 10 Kilometer sollen es werden.
Also kommt David wieder bei mir ins Tuch und ich putze, sattle und bepacke Egon.
Der Weg führt uns als erstes in die Ermelosche Heide. Ich bin von den breiten Sandwegen und den weiten Blicken wirklich absolut begeistert.
Leider können wir für Fotos nicht allzu lange stehen bleiben. „Mach schnell, ich kann nicht warten!“, rufe ich Timo ungeduldig zu während ich auf der Stelle tanze. Tragetuch fetzt nämlich nur, solange ich laufe. Bleibe ich stehe, beginnt David sofort sich lauthals zu beschweren.
Deswegen laufen wir zügig los und kommen recht bald von der Heide in ein Waldgebiet. Die Bäume wachsen hier wie in Schlangenlinien der Sonne entgegen. „Wow, das sieht ja aus wie bei den Waldelfen!!“.
Nach etwa einer halben Stunde Wanderung wacht David im Tragetuch wieder auf und will raus. Geht natürlich nicht sofort. Sein empörtes Geschrei vertreibt sicher noch in 10 Kilometern Entfernung die letzten Hirsche. Wir hoffen auf eine Stelle, an der Egon etwas grasen kann, während ich stille. Doch schon nach ein paar Metern halte ich es nicht mehr aus, drücke Timo das Pony in die Hand und reiße das Tragetuch von mir.
Auf einem Baumstamm in der Nähe stille ich David, während Timo versucht Egon und Sturmi bei sich zu behalten, die beide die Pause auf dem sandigen Waldboden so gar nicht verstehen. „Pass bloß auf, dass der sich jetzt nicht wälzt mit dem Gepäck!“, rufe ich Timo etwas gestresst zu, der mir einen genervten Gesichtsausdruck zuwirft. Ups, ich sollte wohl vor allem meinen Ehemann etwas bei Laune halten.
Nach dem Stillen das nächste Problem: Wohin nun mit dem Baby, während ich mir das Tuch wieder über die Schultern schwinge? Timo hat nun wirklich alle Hände voll. Also geht es für David kurzerhand auf den Waldboden, wo er sich erstaunt umsieht, bevor er wieder in das Tragetuch zieht.
Gut, dass ich gerade mit dem Stillen fertig war, denn da biegt eine Reiterin vor uns in den Weg ein. Ich erkenne sie vom Ferienpark, sie hatte am Morgen noch Egon mit versorgt. Jetzt reitet sie einen wunderschönen und riesengroßen Friesen durch die Veluwe. Beide Pferde werfen sich faszinierte Blicke zu, ehe wir weiterziehen.
Gegend Mittag erreichen wir das „Boshuis Drie“ einen Bauernhof aus dem Jahr 1765, der zu einem Restaurant umgebaut wurde. Ich verschwinde schnell in der Gaststätte, um nach einer Unterstellmöglichkeit für Egon zu fragen: „Does anyone of you speak English?“. Ich erkläre einer Kellnerin meinen Wunsch, die sich daraufhin auf holländisch mit einem weiteren Kellner bespricht. Dieser dreht sich anschließend zu mir und redet ebenfalls auf holländisch mit mir weiter. Konzentriert versuche ich die Bedeutung der Wörter zu erahnen. Irgendwas mit Weide? Direkt um die Ecke? Egon da hin? Ich nicke und sage „Ok“. Wieder zur Kellnerin gewandt bedanke ich mich auf Englisch für ihre Hilfe. „Oh, you speak English?“, fragt mich der Kellner nun im perfekten Schulenglisch und die Sprachbarriere ist überwunden.
Als wir mit Egon bei den Weiden des Bauernhofes ankommen, stehen dort allerdings schon drei Islandpferde auf beide Weiden verteilt. Gut, dass wir zur Sicherheit unseren eigenen Wanderreitzaun mitgenommen haben. So steckt Timo noch eine extra Weide für Egon ab und wir können beruhigt essen gehen.
Im Boshuis ist es in der Zwischenzeit rappelvoll geworden und wir ergattern mit Sturmi und David den letzten freien Tisch. Die nette Kellnerin von vorhin ist sehr bemüht und entschuldigt sich dafür, dass es die Speisekarte nur auf holländisch gibt. „Pannekoeken you know, right?“, fragt sie. Klar, Pfannkuchen gehen immer und sie schmecken wirklich ausgezeichnet.
David bestaunt das Fachwerk im Bauernhof und die vielen Menschen und Hunde um uns herum. Die vielen Eindrücken sorgen dafür, dass er nach dem Essen auch direkt wieder einschläft. Eigentlich wollten wir ihn ja noch wickeln, aber jetzt wieder wecken ist auch doof. Also verschieben wir das auf später.
Derweil haben die am Nachbartisch sitzenden Reiterinnen bezahlt und laufen wenig später mit ihren Isländern am Fenster vorbei. „Wenn denen jetzt gleich ein Shetlandpony hinterher rennt, werden die sich doch hoffentlich hier melden, oder?“, frage ich Timo besorgt.
Tatsächlich steht Egon aber entspannt da und döst, als wir später zu ihm kommen. Wieder bin ich unglaublich stolz auf mein kleines Wanderpony. Der Zaun ist schnell abgebaut und wir verschwinden wieder im Wald.
Ich genieße es unglaublich, wieder unterwegs zu sein. David schläft im Tuch und wir laufen still und entspannt vor uns hin. Die Gegend ist fantastisch und die Wege unglaublich pferdefreundlich. Wirklich überall gibt es Reit- und Fahrwege. Ich bin fasziniert.
Da David während der Mittagspause kaum getrunken hat, wacht er bald auf und hat Hunger. Diesmal sind wir schlauer und drehen für Egon den Pflock in den Boden. Gras gibt es für ihn an dieser Stelle zwar wieder nicht, aber er bleibt trotzdem ruhig stehen und wartet. So hat Timo nun auch die Hände frei und kann mir etwas helfen. Nach dem Stillen wickeln wir David dann auch noch schnell auf meinem Schoß bevor es weitergeht.
Das letzte Stück führt uns wieder durch die Heide und wieder kann ich mich gar nicht daran satt sehen. Auch Sturmi hat sichtlich Spaß an unserer Tour und genießt die Sandwege mit ihren vielen Tierspuren und -gerüchen.
Zurück am Stall lasse ich Egon noch kurz auf die Weide, wo er sich nun ohne Sattel und Gepäck, genüsslich wälzt. Abends kommt er zusammen mit den anderen Pferden in den Stall, wo er eine große Box neben einem anderen Shetlandpony bewohnt.
Wir Menschen und Sturmi fallen in unserem Ferienhaus erschöpft auf die Couch. „War das sonst auch so anstrengend?“, fragt Timo. Es macht doch einen Unterschied, wenn man die Nächte nicht durchschlafen kann. Den Abend gehen wir also früh ins Bett und tatsächlich haben wir eine etwas unruhige Nacht. David ist zwar ganz lieb, möchte aber am liebsten stündlich an die Brust.
Besuch im KNHS Zentrum
Trotzdem fühle ich mich am nächsten Morgen relativ fit und laufe mit Sturmi meine Morgenrunde. Dann räumen wir unsere Sachen zusammen und machen das Ferienhaus sauber. Egon darf noch bei seinen neuen Pferdekumpels auf der Weide bleiben, während wir zum KNHS Zentrum fahren, das nur 5 Minuten entfernt liegt. KNHS ist die größte Vereinigung des Landes für Pferdesportler und bietet im Zentrum Trainingsmöglichkeiten für Tagesbesucher mit eigenem Pferd oder für Schulen und Universitäten beispielsweise mit Schwerpunkt Pferdemanagement. Auch finden hier das ganze Jahr über viele kleine und große Veranstaltungen statt.
Besonders beeindruckt bin ich von dem riesigen Außenplatz, der bei Großveranstaltungen in drei Reitplätze inklusive Tribünen umgebaut wird. Hier einmal mit Egon langfetzen, das wäre was!
In dem Zentrum gibt es seit Kurzem auch eigene Schulpferde. Außerdem wohnen hier immer einige Friesen-Hengste, die, um zur Zucht zugelassen zu werden, ein 70-tägiges Programm absolvieren und die anschließenden Prüfungen bestehen müssen. Leider verfügt das Zentrum über keine eigenen Weiden. Man sei bemüht, zeitnah Land der Nachbarn abzukaufen, versichert mir der sehr nette Medienvertreter, der uns über die Anlage führt. Doch auch wenn die Schulpferde noch nicht lange im Zentrum wohnen, tun sie mir in ihren Boxen jetzt schon leid.
Zum Trainieren als Tagesgast ist die Anlage allerdings genial. Riesengroße Reithallen mit traumhaften Boden, diverse Außenplätze, Round-Pens und ein großer Außenspringplatz mit festen Hindernissen können genutzt werden.
Wir essen noch schnell einen kleinen Snack in der Brasserie und holen mittags Egon aus dem Ferienpark ab. Er kommt mir auf der Weide gleich begeistert entgegen gelaufen und ein bisschen tut es mir Leid, ihn nun nicht nochmal in die Heide, sondern schon wieder auf den Hänger zu bringen. Doch die erste Tour zu fünft wollte ich gerne etwas kürzer angehen.
So machen wir uns also auf den Rückweg, den wir mit drei Pausen gut überstehen. Abends begrüßt Egon begeistert seine gewohnten Pferdekumpels und verschwindet in den Sonnenuntergang auf die Weide. Bestimmt hat er den anderen erst einmal von den traumhaften Reitwegen in der Veluwe vorgeschwärmt.
Alles Infos auf einen Blick
Unterkunft: Bospark De Heivlinder, nahe Ermelo in Gelderland, auch „das andere Holland“ genannt. Hier kannst du ein Ferienhaus für 4 oder 6 Personen mieten. Es gibt einen Stall, der direkt zum Ferienpark gehört und wo du dein Pferd unterstellen kannst. Zum Stall gehören auch einige Weiden. Großes Plus: Das Stallgelände dürfen nur Leute betreten, die dort auch ihr Pferd stehen haben.
Mittagessen: Boshuis Drie. Bei uns war es hier an einem Dienstag Mittag sehr voll. Wenn du vorher weißt, wann du da sein wirst, könnte es Sinn machen, einen Tisch zu reservieren. Für Pferde gibt es zwei Paddocks, die allerdings nicht 100%ig shettysicher eingezäunt sind. Außerdem gibt es Anbindebalken und genügend Platz, um einen eigenen kleinen Wanderreitzaun aufzubauen.
Veluwe Trail: Insgesamt etwa 360 Kilometer, eingeteilt in 9 Tagesetappen je zwischen 25 und 35 Kilometer. Es können aber auch vielfältige Tagestouren von einer festen Unterkunft aus gemacht werden. Die ganze Region ist auf das Reiten sowie auf das Fahren mit Pferde ausgelegt.
Sprache: Irgendjemand, der Englisch spricht, findet sich meist immer, auch wenn das Englisch dann ggf. ein bisschen holprig ist. Aber auch mit einer Mischung aus Deutsch und Zeichensprache kann man sich dank der Ähnlichkeit der Sprachen gut verständigen.
Einreise: Auch wenn man es durch die fehlende Grenze gerne vergisst, sind die Niederlande doch Ausland für uns. Dies bedeutet, dass die Einreisebestimmungen eingehalten werden müssen. Diese sehen Ausweispapieren für Mensch und Tier, Chips bei den Tieren, Tollwutimpfung bei Hunden und ein Gesundheitszertifikat für Pferde vor.
Beste Jahreszeit: Die Region ist vermutlich das ganze Jahr über schön. Der Herbst hat den Vorteil, dass nicht nur die Wälder fantastisch gefärbt, sondern auch die Unterkünfte und Wege nicht so überlaufen sind.
Baby-Transport: Ich habe David in einem Tragetuch in der Wickelkreuztrage getragen. Meine Jacke habe ich mit einer Kumja Jackenerweiterung vergrößert (das ist das schwarze vor meinem Bauch).
Fazit: Während ich vorher dachte, dass das Wandern mit Pony und Hund anstrengend sei, denke ich jetzt mit Baby, wie einfach es doch vorher war 😀 Jetzt müssen noch mehr Interessen miteinander vereinbart werden. Vermutlich sehne ich aber in einem halben Jahr die Zeit zurück, in der David noch bequem im Tragetuch geschlafen hat, wer weiß. Trotz der Anstrengungen werde ich natürlich auch weiterhin mit meiner kleinen Familie wandern gehen und vieles wird sich sicherlich auch noch mehr einspielen.
Außerdem muss ich mit Egon unbedingt das Kutsche fahren weiter üben, um mit ihm auf diesen genialen Wegen mal so richtig fetzen zu können 😉 Aber auch zum Wandern mit Pferd ist die Gegend ein Traum und unsere Tour im „anderen Holland“ war ein wunderschöner Start in das neue Wanderleben zu fünft.
Für diese Reise wurde ich von der Region eingeladen. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt des Artikels. Im Outdoor Blogger Codex, den ich unterzeichnet habe, findest du mehr Informationen dazu.
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