Buchtipp und Interview: Auf nach Santiago! Eine Frau alleine mit ihrem Pferd.
Als ihr Hengstfohlen Galipolis geboren wird, beschließt Margit Rumpl, eines Tages mit ihm nach Santiago de Compostela zu reiten. Fast sechs Jahre später erfüllt sich die Autorin ihren Traum, sattelt ihr geliebtes Pferd und begibt sich auf den 3100 km langen Ritt. Trotz vieler Schwierigkeiten und ihrer quälenden Asthmaanfälle denkt sie nie daran aufzugeben. Diese wunderbare Reise fernab jeglicher Alltagshektik bringt ihr neben abenteuerlichen Erlebnissen wertvolle Erfahrungen, unvergessliche Begegnungen und wichtige Erkenntnisse.
Inzwischen habe ich einige Bücher von Wanderreitern und Wanderern mit Pferd gelesen, doch jedes kann mich aufs Neue begeistern und inspirieren. So auch Margits Buch, die mit ihrem Hengst gleich 3,5 Monate und 3100 Kilometer unterwegs war.
Dabei muss ich gestehen, dass ich erst ein kleines bisschen skeptisch war. Die äußerliche Aufmachung des Buches und die zum Teil negativen Rezensionen bei Amazon hätten mich fast abgeschreckt. Zum Glück habe ich dem Buch trotzdem eine Chance gegeben, denn es entpuppte sich als super spannend, sehr schön geschrieben und absolut mitreißend. Ich finde, es steht den bekannteren Büchern Land und Lotte oder Vagabonda in keinster Weise nach.
Die Welt ist nicht nur schlecht und grausam, wie uns die Medien tagtäglich mit ihren Berichten weismachen wollen! Die unzähligen, kleinen guten Dinge, die wir erleben, die stehen selten geschrieben in Zeitungen, sind zu wenig aufregend, um Leser mitzureißen. Aber sie passieren, sind wertvoll und machen das Leben schön.
Viele dieser schönen Begegnungen hat Margit auf ihrer Reise. Aber auch ihre Sorgen um ihr Pferd, wenn sie spät abends noch zugemüllte Paddocks reinigt, loses Heu durch ein ganzes Dorf trägt oder der Hengst Husten bekommt, kann ich sehr gut nachvollziehen.
Als sie schließlich Santiago erreicht, habe ich mit ihr geweint. Vermutlich kann ich dadurch, dass ich mit Egon auch auf langen Touren unterwegs bin, vieles noch intensiver nachempfinden, als andere Leser. Viele Gefühle, Ängste und Freuden habe ich auch auf meinen Wanderungen.
In ihrem Buch schreibt Margit auch einiges über ihren Alltag und wie unterschiedliche das Vagabundenleben dazu ist. Nachdem ich ihr Buch durchgelesen hatte, musste ich sie natürlich sofort stalken und habe ihre Facebook Seite gefunden. Aber nicht nur das: Margit hat sich auch bereit erklärt, mir einige Fragen zu ihrer Reise und ihrem Leben zu beantworten. Here you go:
Hallo liebe Margit, es freut mich total, dass du dich bereit erklärt hast, ein paar meiner Fragen zu beantworten! Mit deinem Hengst Galipolis bist du von Österreich 3100 Kilometer bis nach Santiago de Compostela gereist. Wie alt warst du und dein vierbeiniger Begleiter damals und wie kam es zu der Idee?
Ich war 39, Galipolis erst fünfeinhalb Jahre alt.
Ich also alt genug, Galipolis fast zu jung, das machte mir zeitweise schon ein schlechtes Gewissen, aber ich ging viel zu Fuß und durch meine jahrzehntelange Erfahrung mit Pferden hatte ich auch viel Gefühl und Wissen, um ihn nicht zu sehr zu fordern.
Die Idee zu einem Weitwanderritt wurde schon geboren, als ich 1987/88 in Andalusien lebte. Damals träumte ich davon, zwei edle Andalusier zu kaufen und heim nach Österreich zu reiten.
Doch es sollten viele Jahre vergehen und ab 1997 hatte ich einen eigenen Reitstall, viel Arbeit – doch dieser Gedanke war immer in meinem Kopf. Nur da ich jetzt Pferde hatte, überlegte ich, von Österreich nach Spanien zu reiten, allerdings dachte ich dabei an Andalusien.
Galipolis war mein erstgeborenes Fohlen 2000. Das war die Zeit, als ich vom Jakobsweg in den Medien erfuhr. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich meinem neugeborenen Hengstchen versprach, mit ihm diesen Weg zu pilgern, sobald er alt genug sei… sonst wusste zu der Zeit noch niemand von meinem Traum. Es kam mir ja selber noch ziemlich unrealistisch vor.
Wie hat deine Familie auf deinen Wunsch, die Reise zu unternehmen, reagiert?
Nun ja, anfangs stieß ich schon sehr auf Ungläubigkeit, so auf die Art: Nun ist sie verrückt geworden… mein Mann konnte nicht verstehen, warum ich das machen wollte.
Und so richtig glaubte niemand, dass ich das wirklich durchziehe. Man dachte, spätestens nach zwei Wochen ist sie wieder daheim…
Hast du bewusst eine Pilgerstrecke gewählt oder hätte es jeder andere Fernwanderweg auch getan?
Ich wurde neugierig durch Berichte über den Pilgerweg und recherchierte im Internet darüber. Und ich wurde in den Bann gezogen, Andalusien war vergessen.
Natürlich ermutigte mich auch, dass es Pilgerführer, beschilderte Wege und allerlei nützliche Informationen gab. Aber der Gedanke, eine Pilgerreise zu machen, nicht bloß einen Weitwanderritt, faszinierte mich, auch wenn ich nicht unbedingt religiös bin.
Du bist durch Österreich, Schweiz, Frankreich und Spanien gereist. Welches von diesen Ländern eignet sich am Besten für das Reisen mit Pferd?
Eindeutig Frankreich! Ich habe diesen Abschnitt noch immer in liebevoller Erinnerung.
Vor allem wegen den überaus liebenswerten und sehr hilfsbereiten Menschen, die mir natürlich auf der gesamten Wegstrecke begegneten, aber die Franzosen übertrafen alle an Liebenswürdikeit.
Damals war in Österreich noch nicht allzu gut beschildert, die Beschreibung der Strecke im Buch von Lindenthal allerdings hervorragend.
In der Schweiz waren viele Berge zu überqueren, die Wege allerdings gut gekennzeichnet.
In Frankreich war der Jakobsweg großteils ident mit dem Fernwanderweg GR 65, fast nicht zu verfehlen.
Und ich fand doch immer wieder Pilgerherbergen, wo Pferde willkommen waren. Obwohl es aber fast immer bedeutete, eine Koppel oder Weide mit unmöglicher, angstmachender Umzäunung oder Hanglagen – Stall brauchte ich zum Glück bis dahin wegen gutem Wetter kaum.
Spanien hat mich oft enttäuscht, ich hatte die pferdeliebenden Südspanier in Erinnerung. Im Norden stieß ich oft auf Ablehnung und Schwierigkeiten bei der Futterbeschaffung, was aber auch auf das wochenlange Regenwetter und den landschaftlichen Gegebenheiten zuzuschreiben war.
Glaubst du, dass dein Pferd die Reise leichter oder komplizierter gemacht hat?
Beides!
Zum Einem erleichterte mir mein treuer Begleiter natürlich diese lange Reise, da er mein Gepäck trug und auch mich, wenn ich müde war! Ich denke, ich ging ein Drittel der Strecke zu Fuß, wahrscheinlich auch mehr… und ich hatte einen Gefährten, der viel mehr als nur ein Pferd war, mein Freund, Vertrauter und deshalb war ich auch verantwortlich für ihn.
Gleichzeitig wurde mir der Weg auch sehr erschwert, da ich für uns beide sorgen musste. Nachtquartier, Futter…ich war besorgt, bemüht, Galipolis nicht zu überfordern und stand öfter vor der Entscheidung: Kann ich ihm das zumuten oder gefährde ich ihn?
Ich musste viele Umwege machen, mir vor Ort Kartenmaterial besorgen und stand oft vor Situationen, wo ich schnell entscheiden musste: Geht das oder nicht? Stege, Brücken, Treppen…
Der Pilgerweg führte auch durch viele Großstädte, die ich fast immer umging.
Von Fußpilgern wurde ich manchmal beneidet (weil ich mich tragen lassen konnte) oder bedauert (weil sie oft schon satt und geduscht gemütlich in ihren Betten lagen und ich erschöpft und schmutzig nach schwierigen Stall- und Futtersuche in eine Herberge kam)
Bei deiner Packliste musstest du sicher sehr wählerisch sein und konntest nur das Notwendigste mitnehmen. Welche Gegenstände sind, gerade bei einer Reise mit Pferd, trotzdem unerlässlich?
Nun ja, abgesehen von den persönlichen Dingen natürlich das Wichtigste für das Pferd: Mineralstoffe und Vitaminpräparate, Mittel zur Mückenabwehr, Lotion für Muskulatur, Putzzeug, Hufnägel, Decke,… am Wichtigsten natürlich ein gut passender Sattel, robuste, gute Satteltaschen, gute Zange. Auf Reservehufeisen verzichtete ich wegen des Gewichts.
Wenn du eine Sache während der Reise heute anders machen könntest: Welche wäre das?
Ich würde mir noch mehr Zeit nehmen!
So eine Reise gemeinsam mit seinem Pferd zu machen, schweißt sicherlich zusammen. Wie hat sich die Beziehung zwischen Gali und dir durch die Reise verändert?
Galipolis war ja noch ein ziemlicher Jungspund und daheim auch ein temperamentvoller, hormongetriebener Hengst!
Schon nach kurzer Zeit lief er hinter mir her wie ein Hündchen, das Vertrauen in mich überwältigte mich oft. Das war ein wunderschönes Gefühl und erfüllte mich oft mit tiefer Dankbarkeit.
Diese Reise hat ihn selbstbewusst und mutig gemacht – am Beginn war die Durchquerung von Gewässern oft noch ein Problem, irgendwann brachte ihn absolut gar nichts mehr aus der Fassung – außer wir begegneten vielleicht Stuten …
Seine Coolness und das Vertrauen in mich kamen uns nach dem Jakobsweg auf zwei Saisonen Vielseitigkeitsturnieren zugute und noch heute bin ich begeistert von seiner Trittsicherheit und Freude beim Reiten im Gelände – es macht wirklich Spaß, ihn zu reiten!
Hattest du von Anfang an den Wunsch, deine Erlebnisse in einem Buch festzuhalten oder ist diese Idee spontan während der Reise oder erst im Nachhinein entstanden?
Dieser Wunsch kam eigentlich gleichzeitig mit meinen Recherchen im Internet. Ich fand damals keine Berichte über Weitwanderritte oder Pilgern mit Pferd.
Tagebuchführen gehört zum Pilgern dazu. Man erfährt so vieles und hat das Bedürfnis, diese wertvollen Erfahrungen und Erlebnisse festzuhalten.
Und nach meiner Rückkehr half mir das Schreiben und das dadurch nochmal geistige Revue passieren lassen der Reise. Denn es war ziemlich schwer, wieder in den Alltag zurück zu finden, da ich doch nun auch verändert war und vieles in Frage stellte…
Nach 3,5 Monaten Vagabundendasein ging es zurück nach Österreich in den Alltag. Wie war dieser Wiedereinstieg für dich?
Wie schon erwähnt, etwas schwierig… Ich war viel sensibler geworden, stellte vieles in meinem Leben in Frage, wollte Veränderungen, die auch eintraten. Ich ertrug manche Menschen nicht mehr, fühlte mich oft unverstanden.
Ich schrieb ein halbes Jahr an meinem Buch, es war mein Rückzugsort und ich war richtig süchtig danach, meine Reise schriftlich fest zu halten.
Gleichzeitig erlebte ich aber wunderschöne Momente, wenn mir plötzlich Bekannte von ihren Träumen erzählten und ich manche inspirieren und ermutigen konnte.
Mein Sohn Andreas ging sechs Jahre später mit 22 Jahren alleine 2000 km von Genf bis nach Finisterre! Ich war sehr stolz auf ihn und froh, dass er ebenfalls diese wertvolle Erfahrung machen durfte.
Wie sieht der Alltag von dir und auch von Galipolis heute aus?
Vieles hat sich verändert. Und doch hat es lange gedauert! Schon auf dem Pilgerweg wusste ich, dass ich den Reiterhof und meine Ehe aufgeben wollte. 2013 verkauften wir den Hof.
Ich bin nun als mobile Reitlehrerin unterwegs, unterrichte Anfänger und Freizeitreiter und bemühe mich, meinen Schülern Wissen und Verständnis für ihr Pferd zu vermitteln, um eine möglichst lange und schöne Partnerschaft zu ermöglichen.
Galipolis durfte fünf Jahre mit einer Stute im Offenstall leben und sein Hengstleben genießen.
Seit einem Jahr steht er nun in einem kleinen Privatstall, wo er zum Glück viel auf dem Paddock oder auf der Weide direkt neben Stuten sein darf.
Er hat neben mir eine liebe Mitreiterin, die sich auch sehr liebevoll um ihn kümmert.
Nach dem Pilgerritt bestritten wir noch einige Spring- und Vielseitigkeitsturniere bis zur Kl. L, doch Wettbewerbe interessierten mich nach unserer Reise nicht mehr wirklich.
Er ist wunderbar fein zu reiten, piaffiert schon ganz passabel und ist auch für Zirkuslektionen, Bogenschießen zu Pferde oder Voltigieren zu haben.
Er ist nun 16 Jahre alt und ich bin glücklich und dankbar, dass er gesund ist und so einen wundervollen Charakter hat!
Im letzten Satz deines Buches schreibst du, dass es sicher nochmal einen ähnlichen Ritt mit Gali geben wird. Planst du da schon etwas konkretes oder hast es vielleicht sogar schon unternommen?
Erst 2015, also sozusagen zum 10-Jahres-Jubiläum unseres Jakobweges konnte ich dieses Vorhaben umsetzen!
Die Zeit vergeht einfach so schnell, unvorstellbar…
Ich ritt wieder alleine von Gaming in NÖ, wo ich jetzt wohne über den Wallfahrtsort Mariazell durch die schöne Steiermark bis zur slowenischen Grenze, diese entlang bis ins Burgenland und zurück über das südöstliche Niederösterreich.
Es waren diesmal „nur“ ungefähr 700 km und vier Wochen. Und ich war herrlich planlos unterwegs! Hatte einige Freunde auf der Strecke, die ich besuchen wollte und wählte die Route sehr spontan (meist nur einen Tag voraus) mit Hilfe von google, aber ohne GPS.
Und ja, ich war gleich wieder im Sog dieser Art des Reisens gefangen – hab wohl Zigeunerblut in den Adern!
Vielen Dank liebe Margit für das Interview und dir und deinen Pferden alles Gute!
Vielen herzlichen Dank, hat mir Freude gemacht, ein wenig zu erzählen! Alles Liebe und tolle Reisen für dich und dein süßes Pony!
Hier kannst du dir das Buch von Margit auf Amazon ansehen und bestellen
Alle Fotos außer die Buchfotos in diesem Beitrag sind von Margit Rumpl – Auf nach Santiago von Margit Rump
Kennst du das Buch von Margit? Oder hast einen anderen Buchtipp für mich? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
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