Fotografiere dich selbst!
Ich hatte noch nie ein Problem damit, fotografiert zu werden. Als Kind habe ich frech mit kurzen Haaren und Zahnlücke in die Kamera gegrinst, als Jugendliche mit geschminktem Gesicht versucht, möglichst gut, aber nicht zu interessiert auszusehen und auch heute noch sage ich ständig zu Timo „Mach mal schnell ein Foto von mir“.
Bin ich eitel? Keine Ahnung. Vielleicht. Dabei ist es eigentlich gar nicht so, dass ich mich sonderlich hübsch finde. Also, hässlich finde ich mich auch nicht. Halt total ok, so wie ich bin. Mir geht es mehr darum, den Augenblick festzuhalten. Und mich.
Ich schaue mir gerne Fotos von mir an.
Ich mit lila gefärbten Haaren in Australien, ich als Kind mit meiner immer noch besten Freundin zusammen in ihrem Garten, ich in schwarzem Umhang und mit Doktorhut bei meiner Uni-Abschlussfeier.
Da kommen alle Gefühle von damals wieder bei mir an. Manchmal lache ich über mich selbst. „Oh mein Gott, was hatte ich denn damals an??“, manchmal werde ich traurig „Die Leute habe ich auch ewig nicht mehr gesehen“, aber immer bin ich froh, diese Erinnerung zu haben. Ich sehe, wie ich älter und erwachsener geworden bin. Wie sich mein Aussehen und mein Stil verändert hat. Ich sehe mich gemeinsam mit Timo vor 8 Jahren, bei unserer Hochzeit und jetzt.
Ok, manchmal bin ich auch genervt von Familienfotos. Ewig muss man draußen stehen und posen, während einer von der Kamera in die Gruppe flitzt, lächelt, wieder zurück zur Kamera rennt und dann sagt „Nee, Mutti, du hast die Augen zu“. Aber wenn ich mir später das entstandene Foto ansehe, bin ich doch froh darum.
Genauso geht es mir auch bei unseren Wanderungen. Manchmal bin ich einfach kaputt, Egon nervt rum oder ich habe Hunger. Eigentlich hätte ich gar keine Lust auf eine Foto-Session. Aber wir machen sie trotzdem. Weil ich es später bereuen werde, wenn ich keine Fotos von Egon und mir habe. Und weil Fotos von Landschaften einfach nie so toll sind, wie Fotos von Landschaften mit Menschen davor.
Ich finde außerdem, dass du auf Fotos nicht immer grinsen musst. Du darfst genauso auch deine schlechte Laune festhalten. Dein genervter Blick im Regen. Deine Augenringe nach einem langen Flug. Du mit zugekniffenen Augen direkt nach dem Aufwachen.
Blättere mal durch deine Fotoalben oder scrolle durch deine digital abgelegten Fotos. Wie oft hast du dich selbst fotografiert und wie oft Landschaft? Und sieht Landschaft nicht irgendwie immer ähnlich oder zumindest austauschbar aus? Gesichter können so viel mehr transportieren. Du hast die Möglichkeit, deinem jüngeren Ich in die Augen zu sehen. Du kennst dich selbst am Besten und kannst jede Mimik und jede Falte deuten. Was hast du in dem Moment gefühlt?
Du kannst an all das denken, was du zu dem Zeitpunkt noch nicht wusstest und zwischen diesem Foto und der Gegenwart passieren wird. Ich habe so ein Foto mit Timo. Wir sitzen nebeneinander, er schaut aus dem Fenster, ich zu ihm. Damals habe ich noch nicht einmal geahnt, dass wir einmal ein Pärchen werden und sogar heiraten würden. Immer wenn ich das Foto sehe, muss ich grinsen. Ach, liebes jüngeres Ich, wenn du wüsstest…!
Worüber werde ich wohl in zehn Jahren grinsen, wenn ich die Fotos von heute sehe? Ich weiß es nicht. Aber ich möchte wenigstens die Möglichkeit dazu haben. Deswegen lasse ich mich selbst ständig fotografieren und sorge dafür, dass ich auch gemeinsam mit meinen Freunden und Familie genügend Fotos mache.
Dafür nehme ich es auch in Kauf, als eitel oder selbstverliebt dazustehen. Statt zu denken „Oh, das sieht jetzt sicher total schön aus“ mache ich meinen Mund auf und frage jemanden, ob er ein Foto von mir macht. Statt mir nur die Landschaft anzusehen, lasse ich mich davor fotografieren.
Ich möchte dir gerne dasselbe raten: Mach im Alltag und vor allem auf deinen Reisen genügend Fotos von dir!
Selfies sind doch sowieso der neue Trend und es guckt keiner mehr komisch, wenn du dein Handy ausstreckst und mit langem Arm ein Foto machst. Auch Actionskameras sind doch schon fast alltagstauglich. Frage regelmäßig Fremde, ob sie ein Foto von dir mache. Kontrolliere das Foto danach und traue dich auch, sie zu bitten, noch eins zu machen, wenn du mit dem ersten nicht zufrieden bist. Nimm ein Stativ mit und plane deine Fotos selber. Viele hilfreiche Tipps dazu gibt auch Synke in ihrem Gastbeitrag auf Pink Compass.
Zwinge deine Freunde zu einem gemeinsamen Foto (vielleicht hilft ja irgendein Lockmittel.. „Kriegst danach auch nen Keks“ Oder wirkt das nur bei Ponys?). Bestehe wenigstens jedes Jahr zu Weihnachten auf ein Familienfoto mit allen Beteiligten. Frage im Restaurant die Bedienung, ob sie ein Foto von dir und deiner Begleitung machen kann. Wenn du erstmal als Foto-Freak bekannt bist, wird das immer selbstverständlicher.
Auf diese Weise hältst du wertvolle Momente für immer fest. Fotos löschen kannst du immer noch. Fotos nachträglich machen nie! Lass dir diese Möglichkeit der Erinnerung nicht durch unnötiges Schamgefühl oder dem Wunsch, nicht aufzufallen, nehmen. Mach ein Foto von dir. Jetzt!
Was schätzt du? Auf wie vielen Fotos, die du machst, bist du mit drauf? Ich würde bei mir sagen, etwa auf jedem 7.
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