Mein Leben als Ponywanderin und digitale Nomadin – Einkommen, Lebensstil, Inspirationen
Während ich gerade im Fernbus auf dem Rückweg aus Berlin sitze, das WLAN wie gewohnt nicht funktioniert, ich immer noch einen Nach-Kater habe, mein Kopf von Erinnerungen brummt und mein Herz eigentlich nicht zurück will, möchte ich dir erzählen, wie ich lebe. Ich möchte dir erzählen, warum ich ausgestiegen bin aus der Norm. Und was ich stattdessen tue.
Die Frage „Und was machst du so?“ bringt mich regelmäßig aus dem Konzept. „Nun, ich feiere gerne Hochzeiten, esse oft Schokolade, lese gute Bücher, treffe mich mit Freunden, wandere mit meinem Pony, zweifle an mir selbst, laufe barfuß über Gras und höre schöne Musik.“
„Äh, was? Nee, nee, ich meinte beruflich!“
„Da dann nur das mit dem Pony. Und dem barfuß laufen. Und dem Lesen. Und das Freunde treffen.“
Kein Mensch versteht, was ich tue und ich finde es furchtbar mühsam, mich immer wieder erklären zu müssen. Einfacher wäre es, wenn ich einfach Grafikdesignerin wäre. Oder Programmierer. Oder Kindergärtnerin. Dann wäre alles in drei Worten gesagt. „Ich bin (Beruf).“
Aber ich bin nunmal kein Beruf. Sondern ein Mensch. Und ich mache in meinem Leben keinen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit.
„Äh… aber… womit verdienst du denn dann dein Geld?“
Ist das nicht faszinierend, dass Leute, die mich vor 30 Sekunden das allererste Mal in ihrem Leben gesehen haben, mich direkt fragen, womit ich mein Geld verdiene?
Warum wollen sie nicht wissen, was meine Lieblingsfarbe ist? Oder welches Instrument ich spiele? (Spoiler: Ich kann ein bisschen Didgeridoo 😉 )
Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir uns absolut über unseren Job definieren.
So sehr, dass wir vor lauter Beruf oft gar nicht mehr den Menschen dahinter wahrnehmen.
Und so stehe ich regelmäßig vor Leuten, die mich mit skeptischem Blick ansehen und fange an zu erklären:
„Ich habe da ganz viele verschiedene Einkommenszweige. Ich kriege Provision, wenn ich bestimmte Produkte empfehle, arbeite mit Unternehmen zusammen, die mich dafür bezahlen, wenn ich über sie schreibe, verkaufe eigene eBooks, halte Workshops, betreibe Empfehlungsmarketing, bewerbe Reisedestinationen, berate Unternehmen zu Online-Marketing, schreibe Texte für Magazine und verkaufe Fotos. Ich bin Freiberuflerin, habe ein Gewerbe und eine UG. Und meistens mache ich dann doch etwas völlig anderes. Alles klar?“
Selten ist danach alles klar.
Mit diesem Problem bin ich natürlich nicht alleine, wie ein Artikel von Patrick zeigt. Auch er nennt als negative Seite des Online-Geld-Verdienens, dass niemand verstehen wird, was genau du tust.
Und auch wenn dieser Aspekt irgendwie nervt, nehme ich ihn für die vielen, vielen positiven Dinge nur allzu gerne in Kauf.
Ich war in diesem Jahr bislang 104 Tage unterwegs. Also fast 15 Wochen oder mehr als 3,5 Monate. Ich habe mit Egon Touristenattraktionen besucht, die Ruhe des Flämings genossen, das Mittelgebirge bezwungen, in einem Fass übernachtet, Cowboys bestaunt und Turniere bestritten.
Ich war in Luxemburg wandern und an der Nordsee rocken.
Zusammen mit dem Hund habe ich einen Agility Intensiv-Kurs besucht und ihm das Meer gezeigt.
Ich habe Coworkings und Coachings besucht, mich auf der weltgrößten Reisemesse treiben lassen, Partys gefeiert, eine Rede vor 500 Leuten und einen Workshop gehalten.
Ich habe die Hochzeit einer guten Freundin gefeiert, alte Freunde besucht, neue Freunde gefunden und Zeit mit meiner Familie verbracht.
Ich habe neue Skills gelernt, mich weiterentwickelt, ein Blogger-Burnout besiegt, meine Komfortzone verlassen und immer wieder Neues ausprobiert.
Ja, ich denke, ich kann sagen, dass das Jahr 2015 ein ganz fantastisches Jahr für mich war.
Wäre all das möglich gewesen, wenn ich noch in meinem alten Job arbeiten würde? Wenn ich immer noch nur 26 Urlaubstage im Jahr hätte?
Sicher nicht.
Und ich möchte damit jetzt auch gar nicht klassische Berufe und Bürojobs verteufeln. Auch der Job, den ich vorher hatte, war durchaus cool und mit vielen Freiheiten. Ich bin mir sicher, dass es für viele Leute genau das Richtige ist. Aber für mich persönlich funktioniert dieses klassische Leben einfach nicht.
Ich möchte etwas Eigenes schaffen und für mich selbst verantwortlich sein.
Ich möchte Marketingtricks ausprobieren und motivierende Youtube Videos schauen und umsetzen.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die genauso an sich und an einer alternativen Berufswelt arbeiten.
Vor allem aber möchte ich frei sein. Zeitlich, örtlich, spirituell.
Für mich ist es die größte Freiheit, wenn ich spontan über meine Zeit und meinen Standort entscheiden kann. Mitten in der Woche kommt mittags die Pferdeosteopathin? Überhaupt kein Problem, zumal ich auch noch direkt am Stall wohne.
Für ein langes Wochenende nach Potsdam auf eine Hochzeit? Klar!
Mal eben an die Nordsee fahren – zwei Wochenenden hintereinander? Etwas verrückt, aber warum nicht?
Für ein Event eine Woche nach Berlin? Aber sowas von!
Digitaler Nomade nennt sich das übrigens. Dies bezeichnet laut Wikipedia-Definition einen Menschen, „der fast ausschließlich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und der einen Lebensstil führt, der eher als nicht sesshaft, ortsunabhängig oder multilokal zu bezeichnen ist.“
Einen tollen Artikel über die Definition eines digitalen Nomaden hat auch Tim auf Earthcity geschrieben.
Ich lebe ein Leben, von dem ich mich nicht im Urlaub erholen muss. Beziehungsweise mache ich gar keinen Unterschied zwischen Arbeit und Urlaub mehr.
Das Ausführen meiner Arbeit entspannt mich sogar. Zumindest meistens. Und so fahren Timo und ich in ein Wellnessbad, um Businessideen auszutüfteln. Und wollen „Urlaub“ in einem einsamen Ferienhaus mit gutem WLAN machen, um gemeinsame Projekte umzusetzen.
Ich nehme mir jeden Tag so viel Entspannung, wie ich brauche. Ganz nach dem Motto „Work smart not hard“ überanstrenge ich mich sicherlich nicht bei meiner Arbeit. Warum auch?
Natürlich bin ich lange nicht perfekt und habe auch Tage, an denen mich meine Jobs nerven, ich nicht produktiv arbeite, es hasse, dass meine Freunde überall auf der Welt verteilt, aber nicht bei mir sind, ich zweifle und manchmal weine.
Natürlich habe ich all das, ich bin ja ein Mensch und noch dazu ein sehr emotionaler.
Aber seit ich selbstbestimmt lebe und arbeite sind meine Tiefs viel weniger tief und meine Hochs viel höher als früher.
Lebst du deinen Traum?
Hast du überhaupt einen Traum? Wenn ja, was für einen? Was würdest du tun, wenn Geld keine Rolle spielen würde?
Wie du herausfindest, was dein Traum ist
Conni von Planetbackpack hat einen wunderbaren Blogpost erstellt, der dir hilft, herauszufinden, was dein persönlicher Sinn des Lebens ist.
Heute wurde mir das Buch „Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste, was ich will“ für dieses Thema total empfohlen.
Wenn du englisch sprichst, ist auch Paid to exist eine tolle Inspirationsquelle, ebenso wie Live in the grey.
Eine weitere sehr geniale Frageliste, ist diese hier.
Mach dich wirklich frei von dem, was die Gesellschaft, deine Eltern, deine Lehrer und auch deine Freunde sagen, das du tun sollst. Mach dich frei von den „Aber ein sicherer Job wäre ja schon besser“-Gedanken.
In dem Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ wird deutlich worauf es am Ende immer ankommt.
Und das ist nie, nie, nie der Job, den man hatte. Dein Job ist am Ende deines Lebens absolut irrelevant.
Wichtig ist, ob du geliebt hast. Partnerschaften und Freundschaften gepflegt hast. Im Regen getanzt und das Leben genossen hast.
Wie du deinen Traum verwirklichst
Wenn du weißt, was dein Traum ist, was sich derzeit für dich am Besten anfühlt, ist es wichtig, dran zu bleiben. Dich nicht verunsichern zu lassen. Für deinen Traum zu kämpfen.
Umgib dich mit Leuten, die die gleiche Denkweise haben wie du. Leute, die dir gut tun und mit denen du dich gemeinsam weiterentwickeln kannst.
Du bist immer der Durchschnitt der fünf Leute, mit denen du am meisten zu tun hast. Gefallen dir diese fünf Leute? Willst du so sein wie sie?
Tolle Menschen, die ähnlich denken wie ich, sind oft andere digitale Nomaden, für die es eigene Konferenzen weltweit und auch in Deutschland gibt. Von einem dieser Treffen, der DNX in Berlin, komme ich gerade.
Vor einem Jahr saß ich begeistert im Publikum und habe alles an Wissen aufgesogen. Auf der letzten DNX stand ich als Speaker auf der Bühne. Und dieses Mal habe ich einen Workshop gehalten.
Schon krass, wie schnell sich alles bei mir entwickelt hat, oder?
Digital Detox
Wichtig finde ich aber, dass du dich vor lauter Träume verwirklichen nicht plötzlich selbst vergisst. Manchmal sind wir so fokussiert auf ein Endziel, dass wir die Tage dazwischen gar nicht mehr genießen.
Auch wenn du einen Traum und ein Ziel hast, ist es wichtig, dass du zwischendurch abschaltest und nicht den Traum dein Leben in Stress versetzen lässt.
Ich muss zum Beispiel immer wieder aufpassen nicht zu viel Zeit am Laptop zu verbringen. Dieses ständige online, verfügbar und pseudo-verbunden sein setzt mich regelmäßig unter Stress.
Ein sehr guter Artikel zu dem Thema ist dieser hier, von dem leider kurz nach Verfassen des Textes verstorbenen Scott Dinsmore.
Auch auf der letzten DNX wurde dieses Thema von einigen Rednern aufgegriffen.
„Sieh dein Leben als Abenteuer und schreib deine eigene Geschichte“, hat zum Beispiel Fabian Dittrich gesagt (hier ein Video von einer anderen Veranstaltung mit ihm).
Bücher über das digitale Nomadentum
Wenn du näher in das Thema digitales Nomadentum einsteigen willst, könnten folgende Bücher spannend für dich sein:
How to travel full-time von Colin Wright (englisch)
The education of millionaires von Michael Ellsberg
Travel writing 2.0 von Tim Leffel (englisch)
The creative habit von Twyla Tharp (englisch)
Die 4-Stunden Woche von Tim Ferriss
The War of Art von Steven Pressfield (englisch)
Frag immer erst: warum von Simon Sinek
Podcast über das digitale Nomadentum
Tim, ein deutscher digitale Nomade, interviewt in seinen I love Mondays Podcast andere deutschsprachige Nomaden.
Außerdem gibt es noch die Podcasts dieser deutschen Nomaden:
Markus Cerenak – Erfolg mit Leidenschaft
Im englischsprachigen Raum gibt es natürlich noch viele weitere coole Podcast, unter anderem:
Inspirierende Videos
Dass Reisen übrigens auch mit Kindern wunderbar funktioniert, zeigt The family without borders, die alle vier einfach super sympathisch sind:
Nicht nur mit Kindern und Ponys, sondern auch mit einem Klavier kann man reisen und damit Geld verdienen. Ich durfte Joe von My travelling piano dieses Wochenende kennenlernen und bin immer noch verzaubert:
Conni von Planet Backpack zeigt in ihrem Video, wie ihr Alltag und Leben als digitale Nomadin aussieht:
Ein englisches Video, das mich auf andere Weise immer wieder motiviert und das ich sehr interessant finde (natürlich nicht nur für digitale Nomaden), ist dieses hier:
Deutsche digitale Nomaden, die mich inspirieren
Mit Planet Backpack fing bei mir übrigens alles an. Ich war fasziniert von dieser Arbeitsweise – ortsungebunden, immer unterwegs, coole Projekte.
Kurz darauf habe ich in einem Online-Kurs selber das Bloggen gelernt. Und vor allem: Unglaublich viele tolle Menschen kennengelernt.
Inzwischen gibt es einen weiteren genialen Online-Kurs zum Thema Bloggen von Ben, der mich mit seinem Blog Anti-Uni ebenfalls zum Nachdenken angeregt hat.
Apropros Online-Kurs: Jenny und Basti von 22places haben Fotografie zu ihrem Beruf gemacht und einen Online-Kurs zu diesem Thema erstellt. Einen sehr guten übrigens, denn ich bin auch gerade dabei ihn zu machen und kann ihn dir sehr empfehlen. Die zwei sind derzeit in Thailand unterwegs und arbeiten von dort aus.
Wenn ich wunderbare Fotos sehen und geniale Outdoor-Berichte lesen möchte, stöbere ich in Christians Feel4Nature. Zusammen mit seiner Partnerin ist er wohl der naturverbundenste digitale Nomade, den ich kenne.
Jessie von bunterwegs startet diese Woche auch ihre Wanderung. Eine Wanderung, die vermutlich zwei Jahre dauern wird. Denn Jessie läuft von Hamburg nach Nepal.
Natürlich muss nicht immer gewandert werden. Timo von Bruder Leichtfuss trampt und segelt um die Welt. Manchmal sogar beides gleichzeitig.
Gesa von Bedouin Writer ist nach Afrika gegangen – und bislang auch geblieben. Inzwischen ist sie Safari Guide für Touristen. Außerdem schreibt sie ein Buch über ihre Erlebnisse. In ihrem Newsletter gibt es immer mal wieder spannende Updates.
Auch Ute von Bravebird verkaufte all ihre Dinge in Deutschland und ging los, um die Welt zu entdecken.
Mischa von Adios Angst – Bonjour Leben hat Panikattacken und Depression besiegt und reist nun immer mal wieder in seinem VW-Camper durch Europa. Gerade ist er in Spanien zu finden.
Dass es nicht immer ein klassischer Karriereweg mit Ausbildung oder Uni nach der Schule sein muss, beweisen gleich zwei deutsche digitale Nomaden. Der 19-jährige Jannis von Jannislife trampt, reist und wandert um die Welt und lebt inzwischen von seinem Blog. Auch Niklas von Farali Production hat sich direkt nach dem Abitur selbstständig gemacht und wird nun als Filmproduzent auf der ganzen Welt gebucht.
Es gibt unglaublich viele deutsche digitale Nomaden, die mich inspirieren. Nicht jeder von ihnen ist in der weiten Welt unterwegs. Manche haben noch einen Job und betreiben ihren Blog mit viel Liebe nebenbei. Andere sind gerade am Aufbrechen. Wieder andere wollen vielleicht gar nicht weg.
Auf der Verwandert Facebook Seite teile ich immer mal wieder spannende Beiträge von anderen Bloggern – auch von den vielen, die ich jetzt hier zu vergessen erwähnt habe.
Warum es für mich kein anderes Arbeiten mehr geben wird
Hast du dir einige von den von mir verlinkten Videos und Blogs angesehen? Dann geht es dir jetzt vermutlich so, wie es mir vor zwei Jahren ging. Du fühlst dich kribbelig, bist aber auch ein bisschen durcheinander und zweifelnd.
Das ist ok, das bin ich regelmäßig und mit Leidenschaft 😉
Aber ich möchte trotzdem nie wieder in mein altes Leben zurück.
Ich möchte meine Zeit frei einteilen und spontan auf Reisen gehen können. Auch möchte ich jederzeit meine Freunde in ganz Deutschland (und der ganzen Welt) besuchen können.
Ich möchte wachsen und lernen. Und das kann ich nicht in einem Bürojob, in dem ich Zeit gegen Geld tausche.
Wie schon erwähnt, denke ich nicht, dass das digitale Nomadentum für jeden der perfekte Lebensweg ist. Auch ist es kein Allheilmittel, kein sicherer Job und kein garantiert glücklich machender Lebensstil. Auf Florians Blog findest du sogar einige Gründe, warum das Leben als digitaler Nomade garantiert nichts für dich ist.
Es ist einfach eine bestimmte Art sein Leben und Arbeiten zu organisieren. Ob das für dich passt und in Frage kommt, kannst nur du alleine entscheiden. Für mich persönlich ist es die momentan am besten geeignetste Art, um glücklich zu sein.
Lass uns doch mal rumspinnen: Was macht dich glücklich? Wie würdest du leben, wenn Geld egal wäre und du machen könntest, was immer du willst?
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